Kapitel vier

»Muß eine unbefleckte Empfängnis gewesen sein«, bemerkte Hal, als er mit meinem Bauch konfrontiert wurde. Die Schwester Oberin zeigte sich nicht belustigt, ebensowenig die Krankenpflegerin oder Schwester Anna, die ihrer Klostervorsteherin in Hals Büro gefolgt waren, letztere ein wenig reuevoll, denn ihr Kommen war als eine Art Strafe befohlen worden – immerhin hatte sie mich ausgesucht und die Oberin zum Kauf bewogen. Wäre der Händler ganz aufrichtig zu ihnen gewesen, hätte er gestanden, daß man jetzt zum zweiten Mal in zwei Monaten kurz nach dem Kauf die Rücknahme der Ware und eine Kaufpreiserstattung von ihm verlangte, also auch ihm nicht nach Lachen zumute war. Diesmal allerdings waren die Umstände dermaßen grotesk, daß er es sich schuldig zu sein glaubte, einen guten Kampf zu liefern – d.h. nach einem Schlupfloch zu suchen –, und er eröffnete die Schlacht mit der Behauptung, die Diagnose der Schwestern sei falsch. Zu ihrer Belehrung hielt er einen Vortrag über die Grundlagen der Androidenwissenschaft: »Die Exemplare der P9 Serie sind sexuell authentisch, aber unfruchtbar. Das ist ein wesentlicher Punkt der Verkaufsstrategie. Sie sind ein Industrieprodukt, das in Myzeliumkulturen herangezogen wird. Ein elektronisch modifizierter Pilz, meine Damen. Ein Pilz! Habe ich recht?« Er wandte sich an seinen Diagnostiker, einen P9, der prompt erwiderte: »Absolut.«

»Sehr schön. Also, diese Einheit hier hat beträchtlich an Gewicht zugelegt, was ungewöhnlich ist, aber vermeidbar gewesen wäre, hätten Sie das Benutzerhandbuch gelesen. Darin wird für die Ernährung ausdrücklich Alpha12-Nutralösung empfohlen und vor der Verabreichung von für den menschlichen Verzehr bestimmten Lebensmitteln gewarnt. Androiden haben Schwierigkeiten mit der Assimilierung. Das sind die allereinfachsten Gebrauchsvorschriften, meine Damen, und wenn Sie die nicht befolgen, ist das Ihre Sache.«

Der Gegenbeweis erfolgte umgehend und war unwiderlegbar. Auf ein Nicken der Schwester Oberin hob die andere Nonne das hemdähnliche Gewand, in das sie mich gesteckt hatten, nachdem mein Habit konfisziert worden war, und drückte mir ein tragbares elektronisches Stethoskop gegen den Bauch. Dröhnender Herzschlag erfüllte den Raum. Hal richtete einen bedeutungsvollen Blick auf seinen Diagnostiker, der sich für eine simple Operation aussprach, die alle Beteiligten zufriedenstellen würde, aber die Schwester Oberin rief, an den Händler gewandt: »Sir, wagt Ihr Lakai es etwa, uns eine Abtreibung vorzuschlagen?«

»Nun, was immer sie im Bauch hat, es ist nicht menschlich, oder?«

»Nein. Es ist ein unheilig Ding.«

»Aber dennoch ein Leben«, warf Schwester Anna demütig ein, sehr zum Unwillen der Äbtissin.

»Tatsächlich?«

Beide Nonnen zögerten, daher ergriff die dritte Schwester das Wort und verkündete, eine Diskussion über diesen Punkt sei überflüssig, denn die Einheit stünde kurz vor der Niederkunft. »Unsinn«, erwiderte Hal, der ein boshaftes, wenn nicht gar perverses Vergnügen daran fand, auf einem Schwangerschaftsabbruch zu bestehen, den er als kostenlose Serviceleistung anbot, wenn sie auf die Kaufpreiserstattung verzichteten. »Wir sind nicht geneigt, unsere Investition zu gefährden, indem wir Reparaturmaßnahmen genehmigen, die unser Eigentum dauerhaft schädigen oder sogar zerstören könnten«, erklärte die Oberin. Sie hatte sich über den moralischen Aspekt erhoben und dem Kern der Sache zugewandt. »Sie hat noch Garantie«, erinnerte Hal. »Nicht für einen solchen Fall. Wir haben es nachgeprüft«, berichtigte ihn die dritte Schwester.

»Da könnten Sie recht haben«, meinte Hal mit einem frohlockenden Unterton. »Schließlich habe ich sie Ihnen nicht als werdende Mutter verkauft, stimmt's?«

Diese nicht sehr subtile Unterstellung von unzüchtigem Treiben im Kloster wurde von der Schwester Oberin mit der ebenso unverblümten Versicherung entkräftet, daß es auf dem gesamten Klostergrund kein männliches Wesen gäbe, Mensch oder Droide, das mich hätte schwängern können. Im Gegenzug griff Hal auf seine ursprüngliche Vermutung einer unbefleckten Empfängnis zurück. Die dritte Schwester übernahm es, ihm zu antworten: »Wir sind keine Traumtänzer, wissen Sie. Wir haben sie von einer neutralen Institution untersuchen lassen. Wir wissen ziemlich genau Bescheid über den beschleunigten Reifeprozeß in der Androidenproduktion: daß sich der Fötus in zwei Wochen von einer mikroskopischen Spore zur Größe eines Neugeborenen entwickelt, um anschließend in weiteren achtzehn Monaten zur vollen Reife zu gelangen. Nach diesem Zeitraum ist er bereit für die Vermarktung. Da der Fötus, den Schwester Maria Theresa …«

»Bitte«, wurde sie von der Oberin unterbrochen, »wir hatten uns geeinigt, sie nicht mehr bei diesem Namen zu nennen.«

»Entschuldigung. Der Fötus der Einheit hat sich erheblich langsamer entwickelt, wenn auch immer noch doppelt so schnell wie ein menschlicher Embryo – es ist eine Hybride. Die Einheit steht kurz vor der Niederkunft, also hat die Empfängnis schätzungsweise vor viereinhalb Monaten stattgefunden. Da sie erst vor zwei Monaten erworben wurde, liegt die Schuld bei dem vorherigen Eigner oder den Eignern, wie viele es nun auch gewesen sein mögen.«

»Was bedeutet«, erklärte die Schwester Oberin zusammenfassend, »Sie haben uns schadhafte Ware verkauft.«

»Sie war in erstklassigem Zustand, als sie diesen Laden verließ.«

»Offenbar haben Sie sie nicht gründlich untersucht, wie es Ihre Pflicht gewesen wäre. Damit liegt die Sache in Ihrer Verantwortung.«

»Hören Sie zu. Ich bin nicht grundsätzlich dagegen, Ware zurückzunehmen und den Preis zu erstatten, in letzter Zeit ist das häufiger vorgekommen, aber nicht für so was. Nicht für so was! Das ist einzigartig. Unmöglich. Lächerlich! Hybriden? Hybriden, meine Damen? Nicht mit mir.« Und vertraulich an seinen Diagnostiker gewandt, fügte er sardonisch hinzu: »Jetzt kommen sie mir mit Hybriden.«

»Semis«, korrigierte ihn der Diagnostiker höflich.

»Aha, also sind Sie bereits vertraut mit dem Phänomen«, warf die Oberin blitzschnell ein. Hal war zu langsam, um seinen treuen Diener an der Antwort zu hindern: »O ja, dies ist die dritte Einheit, die heute zurückgebracht wurde.« Nach diesem Schlamassel mußte Hal sich geschlagen geben und die Forderungen seiner Kunden erfüllen, was ihn an den Rand eines Schlaganfalls brachte. Kaum waren die frommen Damen aus der Tür, da fluchte und tobte er über sein Pech, versetzte dem Diagnostiker einen Tritt in die Mykoposteria – der treue Diener seines Herrn reagierte mit einem prompten: »Danke, Gebieter« –, und mit einer Geste unendlichen Abscheus schnippte er seine Zigarette nach mir. Ich bemühte mich, nicht zusammenzuzucken, als das glühende Ende mein Gesicht traf. »Das macht zehn in drei Tagen«, brüllte er. »Noch eine Woche, und ich habe die größte Wöchnerinnenstation von Newacres. In dieser Minute liegen hier bei mir zwei Einheiten in den Wehen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie Pirouet es geschafft hat, diesen Mist aus den Medien herauszuhalten, aber viel länger wird es ihnen nicht gelingen. Wenn der Damm bricht, dann kann ich meinem Geschäft Lebewohl sagen. Scheiße!« Er zerknüllte das Blatt mit der Diagnose der Nonnen, fügte als Ballast einen Aschenbecher hinzu und schlug das Paket seinem Diagnostiker auf den Kopf. »Soll ich dir sagen, was mir wirklich stinkt?« – »Ja, Gebieter«, erwiderte der Diagnostiker. »Was hier passiert, ist verrückt. Verrückt! Die Verwaltung in Paris hat keine Ahnung, wie der Sache Herr zu werden ist. Sie können die Mütter nicht liquidieren – zuviel Geld im Spiel. Und Shanghai will sie erst nach der gottverdammten Entbindung zurücknehmen. Wahnsinn! Warum müssen wir Händler uns mit dem ganzen Kram herumschlagen? Warum?« – »Ich weiß es nicht, Gebieter.« – »Ich sage dir, warum. Weil die Kleinen immer die Dummen sind, darum. Was in Dreiteufelsnamen soll ich tun?« Hilfreich wie immer, informierte ihn der Diagnostiker, daß in meinem Fall – vorausgesetzt, die Schwangerschaftsdauer stimmte – die Empfängnis unter meinem ursprünglichen Besitzer stattgefunden haben mußte. »Richtig! Dieser Hurensohn Locke. Bumst seine Einheit an, und ich soll dafür herhalten. Oh, den lasse ich bluten. Und wie!« Voll böser Vorfreude brüllte er seine Sekretärin (ein P8) im Vorzimmer an, die Nummer von diesem lausigen ›Droidenficker‹ herauszusuchen, dann kam ihm meine Gegenwart wieder zu Bewußtsein, und er fauchte: »Ich will diese Kryptogame nicht mehr hier sehen!«

Irgend jemand (oder irgendeine Einheit) muß sich von hinten genähert und mich betäubt haben, weil ich mich an den Zeitraum zwischen dem Verlassen des Büros und dem ruckartigen Erwachen auf einer Matratze in Hals baufälligem Versandschuppen nicht erinnern kann. Voller Entsetzen stellte ich fest, daß mein Oberkörper von Fesseln über der Brust und um die Arme niedergehalten wurde, meine Beine hingen weit gespreizt über Stützbügeln aus Metall. Ich drehte den Kopf und sah, daß ich von anderen weiblichen Einheiten in ähnlicher Lage flankiert wurde. Meine Nachbarin zur Rechten beobachtete mich mit all dem stummen und unaussprechlichen Grauen einer Verurteilten, die weiß, daß sie als nächste zum Galgen geführt wird. Weißgekleidete Gestalten beugten sich über mich, dehnten zwischen den Wehen meinen Gebärmutterhals mit einem elektronischen Dilatator und hantierten mit anderen ungehörigen Geräten wie Zangen, Pinzetten und Saugglocke, um irgendein Gewächs (so fühlte es sich für mich an) zu entfernen, das im Geburtskanal steckte. Mein Bauch wurde massiert und gedrückt, dann wieder traktierten die weißen Gestalten das Ding in mir mit einer Zange. »Laßt mich! Laßt mich!« rief ich in meiner Benommenheit und schwor hoch und heilig, nie wieder von ihren Speisen zu naschen. Jemand rief nach Betäubungsmitteln, doch bis sie wirkten, erlebte ich eine Reihe von Wehen, die durch meine P9-Schmerzschwellenregulatoren schnitten wie ein Laser durch Butter. Ich war nur noch des einzigen Gedankens mächtig, wenn es Erfahrungen wie dieser bedurfte, um dem Menschsein näherzukommen, dann wollte ich mich gerne mit einem Dasein als Android bescheiden. In meiner Qual schrie ich zu Gott und dem Chef, doch die einzige Antwort war die gereizte Aufforderung eines meiner Peiniger, den Mund zu halten, gefolgt von einer mir damals rätselhaften Bemerkung, deren Sinn mir heute nur allzu klar ist und mein Feingefühl immer noch zutiefst beleidigt. »Die hier macht mehr Arbeit als eine Stute mit Fünflingen.«

Mein Geburtshelfer war ein Tierarzt.

Ich kam in einem transparenten Lagercontainer wieder zu mir, ähnlich den Therapiekokons im Rehabilitationszentrum. Er war einer von Dutzenden, die man in Reihen fünf hoch und zwei breit in der Lagerhalle aufgestapelt hatte; mein Container war der zweite von unten, in der dritten Reihe. Zuerst glaubte ich, es seien Monate vergangen, weil mein enormer Bauch zu schlaffen, unansehnlichen Fettwülsten geschrumpft war, doch schon nach der ersten Bewegung berichtigte ich diese Schätzung auf nicht mehr als ein paar Tage oder eine Woche, denn mein Unterleib fühlte sich immer noch sehr wund an. Offenbar hatte man das unheilige Ding tatsächlich entfernt. Ich fragte mich, was damit geschehen war. Als ich meine Umgebung etwas näher in Augenschein nahm, entdeckte ich einen Menschenjüngling, der neben meinem Behälter kauerte und sich die Nase an der Wandung plattdrückte. Er klopfte mit den Fingerknöcheln gegen das Glas. »Es ist ein Junge, Molly. Ein Junge! Zwölf Pfund und einhundertzweiundfünfzig Gramm. Und er wächst stündlich. Hast du ihn gesehen?« Nicht nur hatte ich das Kind nicht gesehen, ich vermochte auch den stolzen Vater nicht einzuordnen. »Würde es dich sehr stören, wenn wir ihn Thaddäus nennen? Junior?« Jetzt erinnerte ich mich. Er nahm mein Lächeln des Wiedererkennens als Zustimmung für den Namensvorschlag und erklärte mir dann mit gedämpfter Stimme, daß er sich als angeblicher Kunde in die Säuglingsstation geschlichen hatte, um unser Kind zu sehen, und dann in die Lagerhalle, um mich zu besuchen, und daß er es nicht wagen könne, länger als ein, zwei Minuten zu bleiben.

In aller Eile berichtete er, daß Hal seinen Vater für den Übeltäter hielt und ihn mit der Drohung, die Familie in Newacres gesellschaftlich unmöglich zu machen, gezwungen hatte, sein Eigentum zurückzunehmen. Das bedeutete, nach dem Ende der Rekonvaleszenz würde ich wieder in sein Haus gebracht werden. Zu meinem Unglück beabsichtigte Tads Vater, von seinem Eigentumsrecht Gebrauch zu machen und mich an die AÜ auszuliefern, zur Termination. Tad hatte sich gegen dieses Vorhaben zur Wehr gesetzt, in der Hitze des Gefechts seine Liebe zu mir gestanden und auch die Verantwortung für das Kind übernommen. Daraufhin war er aus dem Haus gewiesen worden. Unverdrossen hatte er sich bei einem Freund einquartiert und arbeitete jetzt für lausige fünfzig Mel pro Stunde in einer Aeromobilwaschanlage. Nebenbei war er als Freiwilliger im örtlichen LRA-Büro tätig. Dort hatten ihn die Kollegen vor einer gewissen tollkühnen Aktion gewarnt, die mich bei Erfolg – behauptete er – aus sowohl Hals wie auch seines Vaters Händen befreien und ihm bei Mißerfolg fünf bis zehn Jahre auf Ganymed einbringen würde. Keine Einzelheiten jetzt, dafür war keine Zeit. Er schaute sich nervös um, weil er Schritte zu hören glaubte. Ich brauchte nichts weiter zu wissen, flüsterte er, als daß er verrückt genug sei, es zu versuchen, denn er hatte sich nun einmal in den Kopf gesetzt, mit mir davonzulaufen – er träumte davon, daß wir als Lebensgefährten in unserem eigenen Modulkondo wohnten, mit einer Menschenfrau als Kindermädchen für den Jungen. Er blieb noch einen Moment, um mir zu beteuern, daß ich vorläufig sicher war und daß er mich ganz bestimmt retten würde, bevor Hal mich seinem Vater ausliefern konnte. Dieses Versprechen wurde mit einem Kuß auf die Glasscheibe besiegelt, danach schlich er sich hinter dem Rücken eines P8 hinaus, der gekommen war, um die Lagerhalle zu kontrollieren.

Welche Spannung! Welche Hoffnung! Doch als er nach ein paar Tagen (oder Wochen, oder Monaten – an einem solchen Ort verliert man das Zeitgefühl) nicht wiedergekommen war, begann mein Mut zu sinken. Um mich von der zunehmenden Besorgnis und den physischen Beschwerden meiner Gefangenschaft abzulenken – es war unmöglich, sich in dem Container aufzusetzen, höchstens umdrehen konnte man sich –, gewöhnte ich mich daran, an dem Speiseschlauch zu saugen und zu nagen, der von der rechten oberen Ecke des Containers herabhing und mit einer draußen angebrachten Nutraflasche verbunden war. Die kleinen Portionen, die die Flasche hergab (wir waren auf Diät gesetzt, um unser Übergewicht abzubauen), müssen mit Sedativen versetzt gewesen sein, weil ich nach jeder Nahrungsaufnahme in tiefe Stasis versank und mich nach dem Aktivieren schwindelig und verwirrt fühlte. Alles erschien mir verschwommen und nebelhaft. Ich verlor auch den letzten Rest Zeitgefühl. So merkte ich nicht, daß achteinhalb Monate auf diese Weise verstrichen, dank der Unschlüssigkeit von United Systems, wo keiner wußte, was man mit uns anfangen sollte, und wo man durch Pirouet – jetzt ein Tochterunternehmen – die Händler angewiesen hatte, die lästigen Muttereinheiten bis zur endgültigen Lösung des Problems auf Halde liegen zu lassen.

Anfangs versuchte ich mir die Zeit zu vertreiben, indem ich mit den anderen Einheiten über, unter und seitlich von mir Kontakt aufnahm, doch erwies sich das als eine zu frustrierende und ermüdende Betätigung, also gab ich es auf. Außerdem, unsere Vergangenheit bot keinen Gesprächsstoff – es war in jedem Fall die gleiche Geschichte: Durchbruch, Verführung und Abschiebung. Ohne ihre eigene Notlage geringachten zu wollen, bezweifle ich doch, daß viele von ihnen der Rückkehr in das Haus ihres Gebieters mit soviel Angst entgegensahen wie ich. Unser Hauptthema waren selbstverständlich die Kinder, die wir nie zu Gesicht bekommen hatten und wahrscheinlich auch nie zu Gesicht bekommen würden. Was mochte Hal mit ihnen vorhaben? Nichts Gutes, vermuteten wir und irrten uns nicht, denn es kam der Tag, da endlich in einem fernen Orbiter eine Entscheidung gefallen war und man uns en masse von einem Trupp P8 zur Ladeplattform schaffen ließ. Unsere Kinder wurden neben uns aufgestapelt. Der Anblick war ebenso willkommen wie quälend, denn die armen Dinger lagen in süßer Ruh (offensichtlich betäubt) in Mini-Inkubatoren und erinnerten fatal an eine Ladung Brathähnchen auf dem Weg zum Markt.

Mein Blick suchte die größeren Einheiten, da ich wußte, mein Kind war als eines der ersten auf die Welt gekommen. Bald wurde ich auf einen Jungen aufmerksam, der nach menschlichen Maßstäben etwa vier oder fünf Jahre alt gewesen wäre*. Er hatte meine Haar- und Augenfarbe und war auffallend hübsch. Damit Sie nicht glauben, mein Mutterinstinkt wäre von Narzißmus verfälscht worden, will ich hinzufügen, daß das Kind außerdem eine ungebärdige Lebhaftigkeit an den Tag legte, nicht einmal die Sedativa hatten sein Joie de vivre zu dämpfen vermocht. »Tad!« rief ich. »Tad junior!« Aus allen Containern ertönten gedämpfte Klagelaute, denn wir wußten, dies würde die einzige Begegnung mit unseren Kindern bleiben. Die P8 hatten bereits damit begonnen, unsere Babys in einen wartenden Transporter zu laden, auf dessen Seitenwand ich zu meinem Entsetzen CAMARILLO PROCESSING las – dieselbe Firma, die mich hervorgebracht hatte und wo jetzt mein Sohn für die Vermarktung dressiert werden würde.

Dann wurde ich mit meinem Behälter hochgehoben und mit einem halben Dutzend Schicksalsgenossinnen in einen von Hals gewöhnlichen Aerofrachtern verladen.

Ich schloß daraus, daß mein Bestimmungsort das Heim der Lockes sein würde. Wie man sich vorstellen kann, verfluchte ich Tad, der dumm und grausam genug gewesen war, meine Hoffnung zu wecken, und gab jeden Gedanken an Rettung auf. Einen Augenblick vor dem Zuschlagen der Tür wurde von einem der Arbeiter ein Minicontainer in unseren Transporter geschoben, offenbar aus Versehen. Obwohl es zu dunkel war, um erkennen zu können, wessen Kind es war, reagierten wir alle, als wäre es das unsere. Da mein Behälter ihm am nächsten stand, hoffte ich, der Ruf: »Tad junior!« würde ihm am lautesten in den Ohren klingen. Dann verstummten wir, überrascht von Hals Stimme draußen – er hatte auf dem Dock das Verladen überwacht. Wie es sich anhörte, schimpfte er auf den P8, der den Minicontainer in unseren Frachter geschoben hatte. »Hol den gottverdammten Semi da raus und steck ihn in den Camarillo-Transport!« Offensichtlich wurde der Befehl ignoriert, nach Hals zornigen und verblüfften Rufen und dem Geräusch von Faustschlägen vorne in der Nähe des Cockpits zu urteilen. Ein Körper prallte gegen den Rumpf, Sekunden später erwachte die Maschine spuckend zum Leben, und dann vollführte der Frachter einen abrupten und holperigen Start, bei dem unsere Behälter von einer Seite zur andern rutschten. Was hatte das zu bedeuten?

 

Mein Leben als Androidin
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